Widerstandsfähige Strukturen

Dresdner Forschende zeigen, dass mechanische Strukturen innerhalb winziger Kanälchen in der Leber, die Gallenflüssigkeit transportieren, das gesamte Netzwerk vor erhöhtem Druck schützen könnten.

Gallenkanälchen mit apikalen Bulkheads, mit Adherens Junctions (magenta) und Tight Junctions (cyan). Copyright: Bebelman et al. / J Cell Biol (2023) 222 (4) / MPI-CBG

Eine der Hauptfunktionen unserer Leber ist die Produktion von Galle, einer Flüssigkeit, die bei der Verdauung der Nahrung im Darm hilft. Um die Galle zu transportieren, bilden die Leberzellen ein Netz winziger Kanäle, die Gallenkanälchen, die erst in Gallenkanäle und später in den Darm münden, um die Galle dort auszuleiten. Ist die Leber erkrankt, ist der Ausfluss der Galle oft gestört und es kommt zu einem erhöhten Gallendruck in den Kanälchen. Das Forschungslabor von Marino Zerial, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, hatte in früheren Studien gezeigt, dass die Gallenkanälchen während der Leberentwicklung aus Membran bestehende Querverbindungen, sogenannte apikale Bulkheads, benötigen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Laboren von Marino Zerial und Pierre Haas, Forschungsgruppenleiter am MPI-CBG und am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme, stellten nun die Hypothese auf, dass apikale Bulkheads auch als strukturelle Elemente fungieren könnten, um die Gallenkanälchen vor erhöhtem innerem Druck durch die Galle zu schützen.

Um herauszufinden, ob die apikalen Bulkheads eine solche mechanische Funktion haben könnten, untersuchte der Postdoktorand Maarten Bebelman ihre Struktur und Zusammensetzung mithilfe der Stimulated Emission Depletion (STED) Mikroskopie genauer. Alf Honigmann, ein damaliger MPI-CBG-Forschungsgruppenleiter, konnte Maarten und seinen Kollegen mit dieser hochauflösenden Mikroskopie-Technik helfen. „Wir sahen, dass die beiden Bulkhead-Hälften, die jeweils von der apikalen Membran einer Leberzelle stammen, durch Adhärenzverbindungen, sogenannten „Adherens Junctions“ miteinander verbunden sind, von denen bekannt ist, dass sie Zellen mechanisch aneinanderkoppeln. Die beiden Hälften sind durch sogenannte „Tight Junctions“ versiegelt, die verhindert, dass die Galle aus den Röhrchen austritt“, erklärt Maarten Bebelman. In einem weiteren Experiment durchtrennten die Forscher die apikalen Trennwände mit einem Laser. Das führte zu einer unmittelbaren Ausdehnung des Gallenkanälchens und zeigte, dass die Bulkheads unter Spannung stehen.

Auf Grundlage dieser experimentellen Daten entwickelte der Biophysiker Matthew Bovyn, ELBE-Postdoktorand in den Forschungsgruppen von Marino Zerial und Pierre Haas, ein mechanisches Modell, um zu berechnen, wie stark die Bulkheads dazu beitragen, dem erhöhten Druck standzuhalten. „Basierend auf Maartens Daten prognostiziert unser Modell, dass apikale Bulkheads es den Gallenkanälchen ermöglichen, in etwa das Doppelte an Druck auszuhalten“, sagt Matthew. Diese Ergebnisse zeigen, dass apikale Bulkheads lasttragende Strukturen sind und deuten darauf hin, dass sie die Kanälchen während der Leberentwicklung schützen. Das Forschungslabor von Marino Zerial untersucht derzeit, ob apikale Bulkheads eine Rolle bei Lebererkrankungen spielen, bei denen der Druck in den Gallenkanälchen zu hoch ist.

Originalpublikation:

Maarten P. Bebelman, Matthew J. Bovyn, Carlotta M. Mayer, Julien Delpierre, Ronald Naumann, Nuno P. Martins, Alf Honigmann, Yannis Kalaidzidis, Pierre A. Haas, Marino Zerial: Hepatocyte apical bulkheads provide a mechanical means to oppose bile pressure. J Cell Biol (2023) 222 (4): e202208002. https://doi.org/10.1083/jcb.202208002