Von Affen und Menschen

Forscher vergleichen erstmals im Detail Hirnstammzellen von Schimpansen und Menschen – und entdecken Überraschendes

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Schon immer fasziniert den Menschen die Ähnlichkeit zu seinen engsten Verwandten, den Menschenaffen wie Schimpansen – aber fast noch mehr treibt den Menschen die Frage um, was uns vom Affen unterscheidet. Abweichungen im Aufbau und der Entwicklung des Gehirns von Menschen im Vergleich zu dem von Menschenaffen könnten wichtige Hinweise geben, warum der Mensch zu deutlich höheren kognitiven Leistungen in der Lage ist. Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig haben deshalb nun erstmals Hirnstammzellen von Menschen und Schimpansen im Detail verglichen und sich dabei auf den Kortex konzentriert – dieser Bereich des Gehirns ist beim Menschen deutlich größer als bei Menschenaffen. Es zeigten sich minimale, aber hochspezifische Unterschiede in der Geschwindigkeit der Zellteilung – menschliche Hirnstammzellen lassen sich bei der Vorbereitung zum Verteilen der Chromosomen mehr Zeit als die von Schimpansen oder Orang-Utans. Dieser kleine Unterscheid dürfte große Auswirkungen auf die Eigenschaften von Hirnstammzellen haben und könnte ein wichtiger Hinweis darauf sein, was bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns anders abläuft als bei Menschenaffen.

Um Hirnstammzellen von Menschaffen zu erhalten, nutzten die Forscher um Wieland Huttner am MPI-CBG und um Svante Pääbo und Barbara Treutlein am MPI-EVA neueste Methoden, um zunächst im Labor weiße Blutkörperchen zu pluripotenten Stammzellen zu reprogrammieren. Solche Stammzellen wurden dann dazu eingesetzt, um winzige künstliche Mini-Gehirne – sogenannte zerebrale Organoide – von Mensch, Schimpanse und Orang-Utan in der Petrischale wachsen zu lassen. Mit diesen – dem sich entwickelnden Hirngewebe ähnlichen – Organoiden konnten die Forscher dann ihre Versuche durchführen und Hirnstammzellen in diesen künstlichen Geweben beobachten wie in fötalem Hirngewebe. Zu ihrer Überraschung registrierten die Forscher Unterschiede in der Dauer einer bestimmten Zellteilungsphase. Die Phase nämlich, in der die Zelle die Chromosomen anordnet und auf ihre Gleichverteilung in die Tochterzellen vorbereitet, dauert beim Menschen rund die Hälfte länger als bei Schimpanse und Orang-Utan. “Dies könnte einer der Gründe sein, warum Hirnstammzellen von Menschen ein höheres Potential zur Vermehrung haben als die von Schimpansen”, sagt Felipe Mora-Bermúdez vom MPI-CBG, der diese Beobachtungen gemacht hat. Nun gilt es, den Zusammenhang zwischen der Dauer dieser Zellteilungsphase und der Entscheidung, ob sich eine Hirnstammzelle vermehrt oder stattdessen eine Nervenzelle produziert, genauer zu klären.

Ein weiterer Unterschied stach den Forschern ins Auge: menschliche zerebrale Organoide hatten einen höheren Anteil an Hirnstammzellen, die sich vor der Produktion von Nervenzellen zunächst vermehrten, als dies in den zerebralen Organoiden von Schimpansen der Fall war. Damit hat der Mensch letztendlich ein größeres Potential, die Produktion von Gehirngewebe zu erhöhen. “Die Unterschiede, die wir fanden, waren nicht extrem, sondern eher fein. Wir vermuten deshalb, dass auch auf der molekularen Ebene minimalste Unterschiede dazu geführt haben, dass sich das menschliche Gehirn so entwickelt hat, wie es sich nun darstellt”, so Wieland Huttner, der diese Studien leitete. Genau danach wollen die Forscher nun als nächstes suchen.

Video zur Publikation:
Vergleichende Zeitrafferaufnahme einer Hirnstammzellteilung in zerebralen Organoiden von Mensch (links) und Schimpanse (rechts). Die menschliche Hirnstammzelle teilt sich langsamer. Die farbige Leiste am unteren Bildrand gibt die verschiedenen Zellteilungsphasen an: grün ist die Prometaphase, gelb die – beim Menschen längere – Metaphase, rot die Anaphase.