Struktur und Funktion von Synapsen

Daniel Colón-Ramos arbeitet als Gastwissenschaftler am MPI-CBG und CSBD

Daniel Colón-Ramos © MPI-CBG

Mitte Februar startete Daniel Colón-Ramos, McConnell Duberg Professor für Neurowissenschaften und Zellbiologie an der Yale University School of Medicine, am MPI-CBG und am benachbarten Zentrum für Systembiologie Dresden (CSBD) seinen sechsmonatigen Aufenthalt im Forschungslabor von Anthony Hyman. Das ELBE Visiting Faculty Program des CSBD ermöglichte es ihm, nach Dresden zu kommen. Daniel erhielt auch einen Humboldt-Forschungspreis für seinen Aufenthalt in Dresden. Jedes Jahr verleiht die Alexander von Humboldt-Stiftung bis zu 100 Humboldt-Forschungspreise. Dieser Wissenschaftspreis würdigt international führende Forschende aller Fachrichtungen aus dem Ausland für deren bisheriges Gesamtschaffen. Die Preisträger und Preisträgerinnen werden eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland durchzuführen.

Colón-Ramos wurde in Puerto Rico geboren und wuchs dort auf. Er promovierte an der Duke University und war als Postdoktorand an der Stanford University tätig. An der Yale University erforschen er und sein Labor, wie Synapsen genau angeordnet sind, um die neuronale Architektur aufzubauen, die die Grundlage des Verhaltens bildet. Im Jahr 2019 erhielt er gemeinsam mit Anthony Hyman einen HFSP Program Grant Award, um die Glykolyse als fundamentalen Energiestoffwechselweg zu untersuchen. Dieses gemeinsame Projekt hat Daniel dazu bewogen, nach Dresden zu kommen. Er erklärt: „Ich bin hierhergekommen, weil ich mich zunehmend dafür interessiere, wie physikalische Prinzipien uns helfen können zu verstehen, wie sich Synapsen während der Entwicklung bilden und wie sie dann verändert werden. Was mich hierhergeführt hat, war, dass wir in unseren genetischen Studien beobachtet haben, dass es Stoffwechselproteine gibt, die überall in der Zelle lokalisiert sind. Wir konnten beobachten, dass sie sich zu einer Struktur zusammenschließen, von der wir annehmen, dass sie die Synapsen versorgt. Wir fragten uns, ob diese Proteine in einer membranlosen Organelle durch biophysikalische Prinzipien der Phasentrennung zusammenfinden könnten. Und wie könnte diese Phasentrennung die enzymatischen Reaktionen dieser Proteine, die Energie produzieren, unterstützen?“ Neben der Arbeit an seinem Gemeinschaftsprojekt möchte Daniel Colón-Ramos während seines Aufenthalts die Physik im Kontext der Biologie weiter erforschen. Als Direktor des neuen Wu-Tsai-Instituts an der Yale-Universität möchte er auch erfahren, was ein interdisziplinäres Institut ausmacht und wie man Interaktionen fördern kann.

Im Jahr 2006 gründete Daniel Ciencia Puerto Rico (CienciaPR), eine Organisation, die Forschende aus Puerto Rico auf der ganzen Welt miteinander verbindet, um Wissenschaft in Puerto Rico, aber auch in anderen spanischsprachigen Regionen zu fördern. Das Projekt begann mit einer Datenbank und einer Online-Community und hat sich inzwischen zu einer gemeinnützigen Organisation mit über 15.000 registrierten Wissenschaftlern entwickelt. Daniel erklärt: „Neben der Forschung, ist es mir ein leidenschaftliches Anliegen, den Zugang zur Wissenschaft zu demokratisieren. Deshalb habe ich CienciaPR gegründet. Ein Ziel der Organisation ist es, wissenschaftliche Kompetenz zu fördern. Wir hatten das Gefühl, dass wir Wissenschaft in einen Kontext stellen müssen. Als ich aufwuchs, kamen unsere Bücher für den naturwissenschaftlichen Unterricht aus den USA. Diese waren zwar ins Spanische übersetzt, aber alle Beispiele, die zur Kontextualisierung der Wissenschaft verwendet wurden, schienen für meine Realität als Kind, das in Puerto Rico aufwuchs, irrelevant zu sein. Als Beispiel für die Verbreitung von Samen wurde der Ahornbaum verwendet. Als Kind in Puerto Rico hatte ich noch nie einen Ahornbaum gesehen. Oder um Elektrizität zu erklären, benutzten die Bücher dieses tolle Phänomen, bei dem man einen Luftballon an den Haaren reibt und sie sich aufrichten. Das passiert, wenn man sich in einem gemäßigten Klima befindet. In den Tropen passiert das nicht (wegen der Feuchtigkeit).  Alle Beispiele hatten nichts mit meiner Realität zu tun. Natürlich ist es gut, Beispiele aus anderen Ländern zu verwenden. Wissenschaft ist universell, aber wenn man zur Erklärung der Wissenschaft nur Beispiele aus anderen Regionen verwendet, wenn die Vorbilder nicht so aussehen wie man selbst, wenn die Wissenschaft aus dem Kontext herausgelöst dargestellt wird, dann vermittelt man den Schülern oder der allgemeinen Öffentlichkeit: Wissenschaft mag interessant sein, aber sie ist nichts für dich.  Sie ist für dich nicht relevant. Du gehörst nicht zur Wissenschaft. Als Kind bekommt man die Botschaft, dass es Kinder gibt, für die Wissenschaft funktioniert, und Kinder wie mich, für die Wissenschaft nicht funktioniert. Solche Erfahrungen haben mich darin bestärkt, Wissenschaft zugänglicher für alle zu machen. Die Organisation, die ich gegründet habe, ist gewachsen, ich bin jetzt Vorstandsmitglied, und es ist schön zu sehen, wie Wissenschaft positive Auswirkungen auf Gemeinschaften haben kann. Wenn es in der Wissenschaft Barrieren gibt, die bestimmte Bevölkerungsgruppen ausschließen, verliert die Menschheit, und die von der Wissenschaft benachteiligten Gemeinschaften verlieren ebenfalls.“

Das ELBE Visiting Faculty Program am CSBD bietet fortlaufend Fördermöglichkeiten für Forschende, die in Forschungsgebieten des CSBD arbeiten. Während ihres Aufenthalts arbeiten die Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen eng mit den Forschungsgruppen am CSBD, am MPI-CBG und am Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme (MPI-PKS) zusammen.